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Bildschirmarbeit Kann Augentraining die Brille ersetzen?

Was bringt Augentraining? Kann man damit Fehlsichtigkeit korrigieren - und sich sogar eine Brille sparen? Medizinische Beweise gibt es bislang nicht. Für Menschen, die viel am Bildschirm arbeiten, sind die Übungen aber durchaus nützlich.
Vor dem Bildschirm: Zu wenig Bewegung für die Augen

Vor dem Bildschirm: Zu wenig Bewegung für die Augen

Foto: Corbis

Über Jahrtausende hat der Mensch seine Augen genutzt, um in der Ferne nach Raubtieren zu spähen. Oder beim Streifen durch Felder und Wälder nach Leckerbissen Ausschau zu halten.

Heute fällt der Blick oft nur noch auf den Bildschirm in nicht einmal einer Armlänge Entfernung - um kleine Buchstaben zu domptieren. Die Folgen kennen viele Büroarbeiter: Der Blick in die Ferne verschwimmt, sie werden kurzsichtig.

Ein paar einfache Übungen sollen das ändern.

Georg Kwiatkowski ist Heilpraktiker und Sehtrainer in Berlin. In seinen Seminaren lernen Bildschirmarbeiter und Vielleser mit und ohne Brille, was für viele nicht mehr selbstverständlich ist: ihre Augen zu entspannen und ihre Augenmuskulatur zu fordern.

"Insbesondere stundenlanges Blicken auf Bildschirme strengt Augen und Hirn enorm an", sagt Kwiatkowski. Der permanente Blick auf gerade mal 40 Zentimeter Distanz und der Lichtstress könne die Sehfähigkeit einschränken, so der Experte. Hinzu kommen Spannungen in Schultern und Nacken, ausgelöst durch das lange Sitzen. "Die Übungen zielen darauf ab, den Stress des Sehens zu reduzieren und Nacken und Schultern zu entspannen", sagt Kwiatkowski.

Konsequent über Monate angewendet, soll das Training den Blick schärfen. Glaubt man manchen Sehtrainern, könnten sogar Brille und Kontaktlinsen überflüssig werden. So weit will Kwiatkowski nicht gehen. "Der Effekt ist nicht unbedingt in Dioptrien messbar", sagt er. Dennoch werde das Sehen durch das Training leichter und klarer.

Strapaziertes Organ

Tatsächlich leisten unsere Augen auch unter normalen Bedingungen Enormes. Beim Blicken in verschiedene Entfernungen muss die Linse ständig ihre Form ändern, damit ein scharfes Bild entsteht. Diese Fähigkeit heißt Akkomodation. Sechs weitere Muskeln pro Auge sorgen für die Beweglichkeit, das Blicken nach rechts, links, oben und unten. Mit ein bis drei meist kurzen Bewegungen pro Sekunde sind sie die aktivste Muskelgruppe im Körper.

Augentraining geht von der Annahme aus, dass körperliche oder seelische Überanstrengung zu unscharfem Sehen führt. Bildschirmarbeit belastet die Augen besonders, weil hierbei bestimmte Muskeln überstrapaziert werden. Einer dieser Muskeln ist der Ziliarmuskel. Dieser umgibt die Linse kreisförmig und wird bei Naharbeit permanent angespannt. Die Linse wölbt sich und wird bauchig. Sieht man in die Ferne, entspannt sich der Muskel und die Linse wird flach.

Erhöhtes Risiko für Kurzsichtigkeit

Tatsächlich vermuten Mediziner seit einiger Zeit, dass langes Lesen und ständiges Blicken auf Bildschirme das Risiko für Kurzsichtigkeit erheblich erhöhen . Bei Kurzsichtigkeit ist der Augapfel zu lang. Studien zufolge haben Bildungsgrad und Verhalten sogar einen höheren Einfluss auf Kurzsichtigkeit als genetische Faktoren . Ob und inwieweit Naharbeit allein das Wachstum des Augapfels in die Länge und somit Kurzsichtigkeit begünstigt, ist aber unklar.

Durch Sehtraining wird versucht, mit einfachen Übungen den Veränderungen des Augapfels entgegen zu steuern. "Entspannend fürs Sehen ist bereits das Blinzeln und in die Ferne schauen", sagt Kwiatkowski. Auch Massagen des knöchernen Rands der Augenhöhlen oder das Auflegen der warm geriebenen Handinnenflächen auf die Augen (Palmieren) wirke wohltuend.

Viele der Methoden heutiger Augentrainer gehen auf den US-amerikanischen Augenarzt William Bates (1860 bis 1931) zurück. Dieser vertrat die Auffassung, dass Augen bis ins Alter ohne Brille auskommen, wenn nur ihre Muskeln trainiert werden, sie genügend Sonnenlicht und Wärme bekommen und sie nicht überanstrengt werden. Aufgrund der beobachteten Veränderungen des Augapfels ist es durchaus vorstellbar, dass Bates' Übungen Bildschirmarbeitern helfen können - einen wissenschaftlichen Beweis aber sind Bates' Übungen bisher schuldig geblieben.

Individuelles, dem Problem angepasstes Training

"Alle Entspannungsübungen für die Augen, ob nach Bates oder traditioneller chinesischer Medizin haben ihre Berechtigung, solange sie subjektiv helfen", sagt Petra Kampmann, Orthoptistin in Heidelberg und Sprecherin des Berufsverbands der Orthoptistinnen Deutschlands. Ein einheitliches Augentraining sei jedoch nicht für alle gleichermaßen hilfreich und sinnvoll, da es die individuellen anatomischen Voraussetzungen nicht berücksichtige.

Sie rät, die Ursache von Sehproblemen generell fachmedizinisch abklären zu lassen. "Für Menschen mit einer Konvergenzschwäche, die in der Nähe zeitweilig schielen, können Entspannungsübungen im Nahbereich sogar äußerst kontraproduktiv sein. Hier kann ein aktives Konvergenztraining helfen, bei dem die beiden inneren der sechs Bewegungsmuskeln angespannt werden", sagt die Orthoptistin.

Bei Altersweitsichtigkeit hingegen kann ein Training des Ziliarmuskels bedingt wirksam sein. Dabei werden zum Beispiel Gegenstände in der Ferne und Nähe abwechselnd fixiert. Die Übung sorgt dafür, dass die Augenlinse länger beweglich bleibt und nicht so schnell verhärtet. "Damit lässt sich eine Lesebrille zwar nicht verhindern, aber eventuell für einige Zeit hinausschieben", so Kampmann.

Zusammengefasst: Bildschirmarbeit stresst die Augen und fördert Kurzsichtigkeit. Schon einfache Übungen wie Blinzeln oder das Blicken in die Ferne können dem entgegenwirken. Eine Sehschwäche kann das Training zwar nicht heilen - wahrscheinlich hilft es aber, wieder klarer zu sehen.

AUGENTRAINING - SO ENTSPANNEN SIE IHRE AUGEN

Was kann man seinen Augen gutes tun?Wie sieht Augentraining aus?Welche Übungen passen zu welchem Problem?

Zur Autorin
Foto: Katrin Neubauer

Katrin Neubauer hat in Deutschland und den USA Lateinamerikanistik und Journalismus studiert. Sie arbeitet als freie Redakteurin in Berlin.

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