Debatte über Krise in Russland Sollen die Sanktionen gelockert werden?

Stand: 21.12.2014 07:26 Uhr

Die Krise in Russland könnte auch der deutschen Wirtschaft Probleme bereiten: Der DIHK hat vor "Bremsspuren" in der Bilanz von Firmen gewarnt. Einige Politiker fordern daher, die Sanktionen zu lockern. Andere lehnen das strikt ab und geben Putin die Schuld an der Krise.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat vor Gefahren für die deutsche Wirtschaft durch die Rezession in Russland gewarnt. In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier: "Die Krise der russischen Wirtschaft hinterlässt immer tiefere Bremsspuren im Russlandgeschäft deutscher Unternehmen."

Laut einer Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer in Russland unter knapp 300 deutschen Unternehmen müsse fast jeder dritte deutsche Betrieb in Russland Mitarbeiter entlassen, sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort nicht verbessern. "36 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, Projekte stornieren zu müssen", sagte Treier.

Orientierung nach Asien

Zehn Prozent der deutschen Firmen hätten sogar berichtet, dass sich ihr langjähriger russischer Geschäftspartner nun gen Asien orientiere. "Immerhin jedes achte Unternehmen erwägt einen Rückzug aus Russland. Der Bruch so mancher Geschäftsbeziehung steht also bevor," ergänzte Treier.

Deutsche Bank: Krise keine Gefahr für Weltfinanzsystem

An größere Schäden für das globale Finanzsystem durch die russische Krise glaubt Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen hingegen nicht. "Die russische Volkswirtschaft ist heute besser in der Lage, der steilen Abwertung des Rubels zu widerstehen, als dies im Jahr 1998 der Fall war", sagte Fitschen der "Welt am Sonntag" mit Blick auf die damalige Russland-Krise. Die russische Wirtschaft habe noch annähernd eine halbe Billion US-Dollar an Reserven. Zudem habe der öffentliche Sektor nur einen Bruchteil der Schulden, die er damals hatte.

Diese Einschätzung teilt auch der frühere Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso. "Russland ist nicht besonders eng eingebunden in die Weltwirtschaft und in die internationale Finanzordnung", sagte Barroso der "Welt am Sonntag". "Von der aktuellen wirtschaftlichen Schwäche der Schwellenländer - mit Ausnahme Chinas - geht eine größere Gefahr für die Weltwirtschaft aus als von Russland."

Russland kämpft derzeit gegen die Abwertung des Rubel. Seit Jahresbeginn hat die russische Währung mehr als 50 Prozent an Wert verloren. Experten machen dafür vor allem den niedrigen Ölpreis verantwortlich, da die Wirtschaft des Landes auf hohe Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft angewiesen ist.

Angesichts der Krise in Russland wird in der Politik darüber diskutiert, die Sanktionen möglicherweise abzumildern. Im "Spiegel" äußerte Außenminister Frank-Walter Steinmeier seine Sorge, dass Russland destabilisiert werden könnte, falls die EU die Sanktionen nicht lockere. Wer Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen wolle, irre gewaltig, wenn er glaube, dass das zu mehr Sicherheit in Europa führen würde, sagte Steinmeier.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann äußerte sich ähnlich: "Ich sehe überhaupt keinen Grund zum Jubel. Ich weiß nicht, warum wir uns freuen sollten, wenn die russische Wirtschaft zusammenbricht", so Faymann gegenüber der Zeitung "Österreich".

Dieser Haltung widersprach der Fraktionsvorsitzende der konservativen EVP im Europaparlament, Manfred Weber. Steinmeier mache mit seiner "verbalen Absetzbewegung" von der Sanktionspolitik einen schwerwiegenden Fehler, sagte der CSU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Weber betonte: "Der russische Präsident wird nur durch Stärke, Entschlossenheit und immer neue Gespräche von seinem für Europa und andere Nachbarregionen gefährlichen Weg abzubringen sein."

"Modernisierung im Land verweigert"

Nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Norbert Röttgen ist der russische Präsident Wladimir Putin für die Krise in Russland verantwortlich. "Es ist politisch und psychologisch falsch, die russische Wirtschaftsmisere zu unserem Problem zu machen. Sie ist durch Putin verursacht", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag der "Welt am Sonntag". Putin habe seit Jahren jede Form der Modernisierung im Land verweigert. Zudem habe "die jüngere Aggression das Vertrauen in den Investitionsstandort Russland zerstört".

Es gebe "keinen Grund, unseren Kurs gegenüber Russland in Frage zu stellen oder gar zu ändern", betonte Röttgen. Die Sanktionen gegen das Land müssten so lange bestehen bleiben, "wie sich an dem Grund ihrer Verhängung nichts geändert hat". Nur wenn dieser Kurs konsequent beibehalten werde, "werden wir für Putin berechenbar und nur so haben wie eine Chance, auf ihn im Laufe der Zeit einzuwirken".