Alle paar Tage ein Exit oder eine Finanzierungsrunde: Eine Tochter der Investitionsbank verdient inzwischen Geld mit Wagniskapital.

Die letzte Karte im Millionenspiel der Technologieunternehmen war Re­merge. Die Berliner helfen Kunden, mehr Nutzeraktivität in ihren Apps zu entfalten. Drei Millionen Dollar sammelte das Start-up jetzt ein und expandiert nach San Francisco. Davor schloss die Immobilienplattform realbest ihre zweite Finanzierungsrunde ab. Vor den Ferien ging Medneo, der Berliner Spezialist für bildgebende Diagnostik, an den internationalen Medizininvestor Marcol, Kaufpreis vertraulich. Wenige Tage zuvor kam die Nachricht von Babbel. Das Online-Sprachportal erhielt von Investoren 22 Millionen Dollar, um weiter wachsen zu können. Und auch der Erwerb des Berliner Medikamentenentwicklers OctreoPharm für 50 Millionen Euro durch den französischen Ipsen-Konzern liegt noch nicht lange zurück.

Beim Millionenspiel der Investoren, Gründer und Wagniskapitalgeber ist auch der Berliner Steuerzahler indirekt dabei. Denn an all den genannten Firmen hält oder hielt die Beteiligungsgesellschaft der landeseigenen Investitionsbank (IBBet) Anteile. Mit ihren vier Fonds mit einem Investitionsvolumen von zusammen 180 Millionen Euro ist die IBBet ein Vorreiter unter den öffentlichen Wagniskapitalgebern in Europa und einer der aktivsten Venture-Capital-Gesellschaften in Deutschland.

Für Berlin erweist sich die seit 1997 bestehende Einheit mit ihren knapp 30 Mitarbeitern als mit Abstand wirkungsvollstes Instrument der hiesigen Start-up-Szene. Denn die IBB-Tochter investiert nie allein. Geld gibt es nur, wenn auch andere private Finanziers ihr Geld in ein aufstrebendes Unternehmen stecken. Zurzeit umfasst das Portfolio 75 Unternehmen, die 240 Millionen Euro umsetzen und knapp 2200 Menschen beschäftigen.

„Man könnte nirgendwo besser sitzen als in Berlin“, sagte IBBet-Geschäftsführer Marco Zeller. „Wir haben hier viele verschiedene Technologien, Life Science, Kreativwirtschaft, Software, Internet. Wir bieten den auf einzelne Sparten spezialisierten Fonds die Möglichkeit, sich in Berlin an Unternehmen zu beteiligen.“ Deshalb bekämen die Start-ups sehr viel qualifiziertere Unterstützung. 300 bis 400 Gründerteams sprechen jedes Jahr bei den Geschäftsführern Zeller und Roger Bendisch oder ihren Mitarbeitern vor. Etwa zehn überzeugen mit ihrer Geschäftsidee und ihrer Persönlichkeit, erhalten die erste Finanzierung.

Schon in der ersten Runde müssen auch andere Investoren dabei sein. Diese Regel ist auch ein Korrektiv für die Staatsbanker, dass sie mit ihrer Einschätzung zumindest nicht allein stehen. Wobei klar ist, dass natürlich nicht jedes Start-up ein riesiger Erfolg werden kann. Aber immer wieder liegen einige richtig, so wie die Sprachlehrer von Babbel oder das Pharmaunternehmen OctreoPharm. Für solche Firmen ist auch die zweite Finanzierungsrunde, in der Wachstum bezahlt werden muss, kein großes Problem. „Wenn bei uns ein Unternehmen durch die Decke geht, kommen die anderen Investoren von selber“, sagt Marco Zeller. Im Moment komme sehr viel privates Geld, das sei in der Krise von 2009 anders gewesen, so Zeller, der schon seit 18 Jahren zum Team gehört.

Er hatte in den 90er-Jahren in der IBB die Idee, die Zuschüsse in der Unternehmensförderung durch Fonds zu ersetzen, die auch Rückflüsse erhalten und sich damit selber wieder auffüllen. Mit seinem Kollegen Bendisch fand sich ein Venture-Capital-Pionier. Seither steht das Duo an der Spitze der IBBet und kennt die Berliner Start-up-Szene sehr genau, auch wenn sie mit Hemd und Anzug meist etwas overdressed daherkommen.

Erlöse decken Investitionen

„So wie die Privaten brauchen auch wir ein paar große Exits, um den Fonds in die Gewinnzone zu führen“, beschreibt Zeller den Zwang der Gesellschaft. Inzwischen sei die IBBet aber im Zustand eines „Perpetuum mobile“ angekommen. Das heißt, die Erlöse aus älteren Fonds sind so hoch, dass sie die Investitionen in neue Firmen abdecken.

Die Finanzspritze von 100 Millionen Euro, die das Mutterhaus IBB ab diesem Jahr bereitstellte, könnte vorerst der letzte Zufluss von außerhalb des eigenen Systems gewesen sein. Dabei ist das Rad ziemlich groß. Denn mit dem eigenen Geld haben Zeller und Bendisch rund eine Milliarde Euro an Investitionen zusammengebracht. „Im Moment kommt tatsächlich privates Geld. In der Krise 2009 war es sehr, sehr schwer, Investoren zu begeistern“, erinnert sich der IBBet-Chef.

Zeller sieht derzeit auch das Problem nicht, was in Berlin oft beklagt wird, dass es zwar genügend Geld für Gründer gebe, es aber schwierig werde, wenn für weiteres Wachstum größere Beträge benötigt werden. „100 Millionen Euro an privaten Investitionen bekommen wir ganz schnell nach Berlin“, beschreibt der Banker seine Erfahrung. Es sei ja auch ein gesundes Zeichen, wenn eben nicht für jedes Geschäft hohe Millionensummen riskiert würden. Die meisten Exits von Firmen aus dem Portfolio seien ohnehin nicht die spektakulären Riesendeals. Die meisten Firmen, die über Jahre entwickelt wurden, gehen an größere Unternehmen aus der Branche oder strategische Partner als sogenannte Trade Sales. Auf der Kundenliste tauchen die Deutsche Post auf, Jenoptik, Bosch oder Ströer, die sich mit kleinen Berliner Firmen begehrtes Know-how und Erfindungsreichtum zukauften.

Es sei auch nicht schlimm, wenn nicht jeder Verkauf das neue Google werde, sagen die Manager. Viele Firmen merkten irgendwann, dass es für den ganz großen Wurf eben nicht reiche, sie geben sich damit zufrieden, eine Nische zu besetzen und als solide 40- oder 50-Mitarbeiter-Unternehmen weiterzumachen. Denen könne die IBB dann gleich mit weiteren Krediten oder anderen Fördermitteln helfen.

„Es ist positiv, dass in Berlin kleine und mittlere Unternehmen entstehen, die rentabel arbeiten und qualifizierten Arbeitskräften sichere Jobs bieten“, beschreibt Zeller eine Perspektive, die international operierende Wagniskapitalgeber eher nicht einnehmen. Dass etwa amerikanische Kapitalgeber Berliner Start-ups aufkaufen und vom Standort abziehen, komme nicht vor, sagte Zeller. „Mit ist kein einziger Fall bekannt, der nach einem Exit im Silicon Valley gelandet ist.“ Wer ein innovatives Start-up übernehme, kaufe in der Regel das Team. Und die Menschen ließen sich eben nicht so einfach nach Kalifornien verlegen.

Die Berliner Start-up-Szene mit noch mehr öffentlichem Geld zu fluten, hält man im IBB-Hochhaus an der Bundesallee für kaum hilfreich. „Wir müssen uns nicht an jedem Hype beteiligen“, sagt Zeller. Zum Beispiel gebe es für Online-Handelsplattformen genügend Geld. Die Staatsbanker versuchten dann lieber, andere Themen zu spielen wie zum Beispiel erneuerbare Energien.