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Medizinpromotionen Doctor who?

Doktor ist nicht gleich Doktor: Wie Medizinstudenten an den Titel kommen, unterscheidet sich je nach Land. Dabei steht es mit dem deutschen Doktortitel nicht zum Besten. Eine Übersicht.
Hugh Laurie alias "Dr. House"

Hugh Laurie alias "Dr. House"

Foto: Kevin Winter/ Getty Images for Fox

Deutsche Ärzte brauchen keinen Doktortitel, um Patienten behandeln zu dürfen. Trotzdem wollen viele Mediziner die zwei Buchstaben vor dem Namen haben, genau wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, deren Doktorarbeit in den letzten Tagen für Wirbel gesorgt hat. In Österreich haben es angehende Ärzte deutlich leichter: Wer sich ein Dr. aufs Praxisschild schreiben will, muss nach dem Abschluss seines Diplomstudiums nichts weiter tun.

"Der Doktortitel wird bei uns automatisch mit verliehen", sagt Harald Jäger, Leiter der Studien- und Prüfungsabteilung der Medizinuniversität Wien. In Österreich habe dies Tradition. "Viele Patienten fühlen sich wohler, wenn sie von einem Doktor behandelt werden", sagt Jäger. So sei die Regelung zustande gekommen. Um einen "echten Doktortitel" handele es sich streng genommen nicht.

Den können Mediziner auch in Österreich erwerben, zum Beispiel in einem mehrjährigen Doktoratsstudium, bei dem sie auch Kontakt zu Patienten haben, wie Jäger sagt. Dafür gebe es am Ende den Titel Dr. med. scient. Möglich sei auch ein dreijähriges PhD-Verfahren, in dem rein wissenschaftlich gearbeitet werde.

"Dr. House" ist kein Dr. med.

Der Ph.D. - Abkürzung für Doctor of Philosophy - stammt aus dem angloamerikanischen Raum und ist auch in anderen Ländern verbreitet. Er kann in vielen Fachgebieten meist in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren erworben werden und zielt vor allem auf Absolventen mit Forschungsambitionen - unabhängig vom Fach.

"Weltweit, zum Beispiel in den USA, Großbritannien und Skandinavien, bekommen Mediziner einen M.D., den Medical Doctor, mit dem Abschluss ihres Studiums - ohne Doktorarbeit", sagt Thomas Renné, Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Der berühmte "Dr. House" aus der US-Serie sei beispielsweise gar kein Dr. med. Auf seiner Visitenkarte müsse stehen: Gregory House M.D.

Renné findet, dass sich Deutschland anpassen sollte: "Ich bin dafür, die Doktorarbeiten zum Dr. med. für Mediziner, wie sie heute in Deutschland üblich sind, grundlegend zu überdenken und abzuschaffen, um sich an internationalen Standards zu orientieren."

Wer in den USA oder Skandinavien als Arzt eine Forschungslaufbahn anstrebe, mache nach dem Medizinstudium einen Ph.D. "Das ist eine wissenschaftliche Ausbildung, die einen höheren Anspruch hat als die durchschnittliche 'Dr. med.' Doktorarbeit in Deutschland", sagt Renné.

Er ist nicht der einzige, der den deutschen Doktortitel auf einem niedrigeren Level sieht als den Ph.D. Auch der Europäische Forschungsrat (ECR) sieht einen Unterschied.

"Ärzte müssen wissenschaftlich arbeiten können"

Während Kritiker schon lange gegen "Türschild-Promotionen" in Deutschland wettern, will man beim Medizinischen Fakultätentag  am deutschen Modell festhalten. "Es geht nicht darum, dass am Ende Dr. med. an der Praxis steht, sondern darum, dass angehende Ärzte lernen, auch wissenschaftlich zu arbeiten", sagt Generalsekretär Frank Wissing.

Jeder praktizierender Arzt müsse Studien lesen und interpretieren können und das wissenschaftliche Arbeiten komme im Medizinstudium bisher tendenziell eher zu kurz. Es müsse eher vertieft als abgeschafft werden.

Dass an mehreren deutschen Universitäten bereits Ph.D.-Programme für Mediziner angeboten werden, sei "nicht die einzige Lösung", so Wissing. "Ein Medizinstudium an sich dauert sechs Jahre, hinzu kommen weitere fünf bis sechs Jahre für die Facharztweiterbildung. Wenn Absolventen dann noch einen Ph.D. anhängen, verlängert sich die Ausbildungszeit immer mehr."

Zielführender sei, bei den derzeitigen Medizin-Promotionen die Qualität zu sichern und strukturierte Programme mit einer Mindestforschungszeit von neun Monaten zu etablieren. An einigen Standorten gebe es dies bereits. "So etwas ist viel wichtiger als die Frage, welchen Titel jemand am Ende trägt."

Möglicherweise überholt sich die Diskussion ohnehin von selbst. Bisher gebe es einen klaren Trend bei angehenden Ärzten, auf Doktorarbeiten zu verzichten, sagt Wissing. "Der Titel ist vielen offensichtlich nicht mehr so wichtig, dass sie sich die Mühe machen wollen."

Beim Medizinischen Fakultätentag läuft dazu gerade eine Datenabfrage an den Universitäten. "Für einige Standorte gibt es Schätzungen, dass die Zahlen spürbar zurückgegangen sind, teilweise um 25 Pozent", so Wissing. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes  gab es im Jahr 2014 in der Medizin 6023 Promotionen (ohne Zahnmedizin), im Jahr 2010 waren es 6267.