Für viele in Deutschland ist es eine ziemliche Überraschung: Griechenlands künftiger Premier Alexis Tsipras, der Superlinke, will plötzlich koalieren mit einer rechtspopulistischen Partei, den Unabhängigen Griechen. Was soll das nun wieder? Wirft da jemand seine Prinzipien noch vor der Regierungsbildung über Bord? Und was halten die fast 37 Prozent Syriza-Wähler davon?

Kein Problem, werden viele Griechen sagen. Denn damit haben sie in den vergangenen zwei Wochen schon gerechnet. Dass Syriza eine absolute Mehrheit erreicht, haben zwar viele Partei-Anhänger gehofft, aber die wenigsten erwartet. Also hat die Partei sich nach Partnern umgesehen, und eigentlich kamen dafür nur zwei Varianten infrage. Auch wenn es nach der Sitzordnung im Parlament links von Syriza eine dritte Variante gäbe – mit den Kommunisten. Die KKE aber sagt: unmöglich! Sie fordert den radikalen Systemwandel, nichts weniger.

Blieben also die Unabhängigen Griechen und die neue Parteigründung To Potami, zu Deutsch: Der Fluss. Die Rechtsradikalen und die bisherigen beiden Regierungsparteien konnte man in diesen Erwägungen außen vor lassen. Im Ausland haben die meisten Beobachter erwartet, dass Tsipras die Fluss-Bewegung bevorzugt, weil sie mit ihrem liberalen Mitte-Links-Programm am ehesten zu den Syriza-Forderungen passen könnte.

"Griechenland vor der neoliberalen Lawine retten"

Was manche, übrigens auch der Autor dieses Textes, jedoch außer Acht ließen, war die Kompromissbereitschaft von Potami-Chef Stavros Theodorakis gegenüber der EU und dem Sparprogramm. Das ging einigen in der Syriza-Partei zu weit. Zu viele Zugeständnisse. Außerdem deutete sich an, dass Potami so Optionen auch zur konservativen Nea Dimokratia offen halten wollte. Ein No-Go für die Linken.

Mit den Unabhängigen Griechen hingegen finden sich deutlich mehr Überschneidungen. Beide Parteien sind für das Ende des Sparprogramms und gegen eine weitere Überwachung durch die Vertreter der internationalen Geldgeber, die in Griechenland so verhassten Troika. Eine gemeinsame Strategie für die Verhandlungen mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds über die Schulden zu finden, wird für Tsipras und den Unabhängige-Griechen-Chef Panos Kammenos nicht schwer werden. Letzterer hatte mehrmals gesagt, er wolle "Griechenland vor der neoliberalen Lawine retten", was ziemlich links klingt, aber auch  zu den Nationalkonservativen passt.

Außerdem sind sich die beiden Parteien nah in der Frage, wie man die soziale Not in Griechenland bekämpfen sollte. Darüber, dass vor allem den Familien ohne Einkommen und Rentnern geholfen werden soll, besteht Konsens. Auch für eine Anhebung des Mindestlohns dürfte Kammenos zu gewinnen sein – natürlich im nationalen Interesse.