Zum Inhalt springen

Nach Präsidentenschelte Ukrainische Behörden schikanieren TV-Moderator

"Wie Stalin, aber mit Offshore-Firmen": Polit-Talker Sawik Schuster attackierte den ukrainischen Präsidenten Poroschenko scharf. Nun droht ihm der Entzug der Arbeitserlaubnis.
Talkmaster Sawik Schuster

Talkmaster Sawik Schuster

Foto: Sergei Chuzavkov/ AP

Als der Star-Moderator Sawik Schuster in dieser Woche auf Sendung ging, war vieles wie immer: In den Studiosesseln nahm Politprominenz Platz, aus den Reihen des Publikums heizten Zuschauer und Experten die Debatte mit scharfen Einwürfen an. So funktioniert "Schuster Live", seit einem Jahrzehnt die einflussreichste politische Talkshow im ukrainischen Fernsehen.

Eins aber war in dieser Woche anders: Schuster war nicht nur Moderator, sondern auch Thema seiner Sendung. Er nutzte die Studiobühne für eine Offensive in eigener Sache, denn gerade hatten ihm die Behörden die Arbeitserlaubnis entzogen, Steuerfahnder Ermittlungen aufgenommen. Schuster habe viel im Ausland auf seinem Diensthandy telefoniert, die Roaming-Gebühren aber nicht als geldwerten Vorteil versteuert, seine Produktionsfirma habe Recycling-Gebühren für Studiolampen nicht gezahlt. Manche der Vorwürfe wirken an den Haaren herbeigezogen. Schuster dagegen spricht von einem Komplott. Die Staatsmacht wolle ihn mundtot machen, Präsident Petro Poroschenko stehe hinter der Kampagne.

Poroschenko war in Schusters letzten Sendungen schlecht weggekommen, weil er sich nicht wie versprochen von seinem Firmen-Imperium trennen mag, Reformen verschleppt und auf zweifelhafte Seilschaften setzt. "Wir wollten, dass er uns nach Europa führt, er aber bringt uns nach Asien", sagt Schuster. Poroschenko pflege ein Politikverständnis "wie Stalin, aber mit Offshore-Firmen" - ein Seitenhieb auf Poroschenkos in den Panama-Papieren enthüllte Briefkastenfirmen.

Vor laufender Kamera trat Schuster in einen Hungerstreik, der dauern sollte, bis er wieder legal in der Ukraine arbeiten dürfe.

Erstaunlicher Pluralismus in Politik und Medien

Für Poroschenko ist der Fall brisant. Nach zwei Jahren im Amt ist seine Bilanz schlecht. Die Zahl der Kritiker wächst, einige Reformer haben ihm den Rücken gekehrt. Alte und neue Gegner Poroschenkos ergriffen auch bei Schusters Verteidigungssendung im Studio das Wort: David Sakrawelidse, abgesägter stellvertretender Generalstaatsanwalt, Witalij Naliwaitschenko, geschasster Chef des Geheimdienstes, vor allem aber Sergej Wlasenko, Anwalt und rechte Hand von Julija Tymoschenko, die im Februar die Koalition mit Poroschenko verlassen hat.

Der Journalist Schuster hat auch weit über die Grenzen der Ukraine hinaus den Ruf einer Ikone der Pressefreiheit. Der Moderator wurde im Jahr 2004 aus dem russischen TV-Sender NTW gedrängt, der Kanal gehört Gazprom. In der Ukraine wurde "Schuster Live" schnell Publikumsmagnet und Pflichtprogramm für jeden Politiker und politischen Journalisten. Die Sendung hat ähnlich großen Einfluss wie die deutschen Sonntagabend-Talks bei Anne Will.

Nur geht es viel handfester zu Sache. Wer im Internet nach "Schlägerei bei Schuster Live" sucht, stößt auf Dutzende Aufnahmen von Politikern, die sich gegenseitig an die Gurgel gehen.

Die Auseinandersetzung um Schuster ist auch ein Spiegel der Zustände in der heutigen Ukraine. Das Ringen um Macht und Einfluss hat - anders als im Nachbarland Russland - zu einem erstaunlichen Pluralismus in Politik und Medien geführt. Im Parlament beharken sich acht Fraktionen, dazu kommen 43 Abgeordnete ohne Fraktion. Zeitungen und TV-Sender berichten erfrischend kontrovers und oft unabhängig.

Der öffentliche Druck zeigt Wirkung

Doch halten sich seit Jahren hartnäckige Gerüchte gegen Schuster: Er habe Plätze in seinen Sendungen an Politiker und Parteien verkauft, heißt es. So waren Julija Tymoschenko und Vertreter ihrer Vaterlandspartei in früheren Jahren Dauergäste. 2013 dann tauchte plötzliche der bis dahin weitgehend unbekannte Nationalist Oleg Ljaschko oft bei Schuster auf. Inzwischen sitzt Ljaschkos "Radikale Partei" in Fraktionsstärke im Parlament.

Schuster hat Kiew mit seinem Hungerstreik und der letzten Sendung in Aufruhr versetzt. Und der öffentliche Druck zeigt offenbar Wirkung: Die Behörden haben den Entzug der Arbeitsgenehmigung gestoppt. Schuster hält das jedoch für eine Finte: Die Staatsmacht wolle warten, bis die Aufregung verflogen sei.

Schuster ist möglicherweise tatsächlich angreifbar. Für den symbolischen Preis von 12 Grywna (0,41 Euro) hat er seine Sendung an den staatlichen Ersten Kanal verkauft, aber die Vermarktungsrechte behalten. Ein dubioser Deal, finden manche, ein normales Geschäft, sagt Zurab Alasania. Er ist seit dem Maidan Chef des Senders. Auch er steht unter Druck, alte Seilschaften fordern seinen Rücktritt.

Er hält es für möglich, dass die Staatsmacht auch Schuster kaltstellen wolle. Die Gesetzeslage in Ländern der Ex-Sowjetunion sei so chaotisch, sagt Alasania, "dass jeder Bürger immer irgendein Vergehen begangen hat". Jeder sei schuldig. Entscheidend sei, "wer wann danach zu suchen beginnt".


Zusammengefasst: Ukrainische Behörden drohen dem berühmtesten Talkmaster des Landes, Sawik Schuster, die Arbeitserlaubnis zu entziehen. Der vermutet eine Vergeltungsaktion der Regierung, schließlich war er Präsident Poroschenko zuletzt hart angegangen. Der Moderator trat sogar medienwirksam in Hungerstreik, um die vermeintliche Verschwörung anzuprangern.