Betrügerische Werbung in Smartphone-Apps:Abo-Fallen sind wieder da

Betrügerische Werbung in Smartphone-Apps: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

  • Neue Abzock-Masche in Smartphone-Apps? Hinter Werbeanzeigen verbergen sich bisweilen kostenpflichtige Abonnements, die dann über den Mobilfunkanbieter abgerechnet werden.
  • Die Mobilfunkanbieter verweisen Kunden, die sich beschweren, an den Abo-Betreiber weiter.
  • So können sich betroffene Handynutzer wehren.

Von Jan Willmroth

Es hat eine Weile gedauert, bis Nadine Köster genau wusste, wo sie in die Falle getappt war. Wie Millionen anderer Smartphone-Nutzer schaut sie stets auf dem Handy nach, wie das Wetter wird. Zahlreiche Wetter-Apps sind kostenlos verfügbar, sie finanzieren sich mit automatisch eingeblendeten Werbebannern. Auf eines davon hat Nadine Köster versehentlich getippt, so glaubt sie heute - und damit offenbar ein Abonnement bestellt, das sie 4,99 Euro pro Woche kostet. Ihr Mobilfunkanbieter Congstar, eine 100-prozentige Tochter der Deutschen Telekom aus Bonn, zog den Betrag direkt über die Handyrechnung ein.

"Zum Glück habe ich meine Rechnungen genau angeschaut", sagt die Frau, die ihren wirklichen Namen nicht veröffentlichen möchte, "viele machen das doch nicht und denken, alles ist in Ordnung." Bei solchen Beträgen falle schließlich kaum auf, dass etwas nicht stimmt. 14,97 Euro waren es für drei Wochen im Februar, den gleichen Betrag buchte Congstar im März ab, bis Köster eine Sperre einrichten ließ.

Auf den Rechnungen stand eine "Abo-App" der My Mobile Company aus Brandenburg, die ihr Geld mit sogenannten "mobilen Mehrwertdiensten" im Bereich Games und Erotik verdient. Die Kontaktadresse lautete auf die Netmobile AG aus Düsseldorf, einen Zahlungsdienstleister, der technische Lösungen für die Bezahlung von Smartphone-Diensten anbietet. Für Köster war das eine schwierig zu durchschauende Konstellation. Weder war sie sich bewusst, etwas gebucht zu haben, noch hat sie je eine Leistung erhalten.

Der Kunde findet auf seiner Rechnung Gebühren - bekommen hat er nichts

Ihr Fall ist typisch für ein Problem, das seit Jahren bis in die Chefetagen der Netzbetreiber bekannt ist. Konsequent unterbunden wird es aber offenbar weiterhin nicht. Tausende, oft minderjährige Handynutzer dürften jedes Jahr Opfer dieser Masche werden, die stets ähnlich abläuft wie bei Nadine Köster: Der Nutzer klickt auf ein Banner, eine Werbe-Seite öffnet sich, er drückt sie weg - und findet später Abogebühren auf der Rechnung. Genau abschätzen lässt sich die Zahl der betrogenen Nutzer nicht. Viele gehen angesichts der geringen Summen nicht dagegen vor; sie richten eine Drittanbietersperre ein und sorgen dafür, dass es sich nicht wiederholt.

Der Betrug funktioniert nach einem einfachen Muster, bei dem Anbieter ein technisches Verfahren aus der Frühzeit des Mobilfunks ausnutzen. Mit dem Tipp auf die Werbung löst der Nutzer einen Vorgang aus, der in der Fachsprache WAP-Billing heißt. WAP steht für "Wireless Application Protocol", einen Übertragungsstandard, der einst für das mobile Internet mit geringen Bandbreiten gedacht war. Heute gilt er unter Experten für Bezahlsysteme als unsicher, wird aber weiter genutzt, um beispielsweise digitale Busfahrkarten per Handyrechnung zu bezahlen. Für Nutzer ist das bequem und gefährlich zugleich.

Mobilfunkanbieter verweisen Kunden direkt an den Abofallen-Betreiber

Der SZ liegen inzwischen mehrere Fälle vor, in denen sich Kunden mit fragwürdigen Posten auf der Rechnung an ihren Netzbetreiber gewendet haben. Stets ist die Antwort ähnlich: Der Kunde möge direkt den Drittanbieter kontaktieren, da er ja mit diesem einen Vertrag geschlossen habe. So ging es auch Nadine Köster. In einem vierseitigen Brief an Congstar widerruft ihr Mann die strittigen Rechnungen, er hält sich dabei an Empfehlungen von Juristen für solche Schreiben.

Eine konkrete Antwort auf sein Anliegen erhält er nie - lediglich Monate später den Verweis auf die "Leistungsbeschreibungen" des Unternehmens: Bei Zusatzleistungen durch andere Anbieter entstehe ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Drittanbieter, mit diesem solle man das klären.

Betrügerische Werbung in Smartphone-Apps: SZ-Grafik; Quelle: eigene Recherche

SZ-Grafik; Quelle: eigene Recherche

In anderen Fällen bei O2 und Vodafone erhielten betroffene Kunden ähnliche Antworten. Eine offizielle Anfrage an Congstar mit mehr als 30 detaillierten Fragen blieb größtenteils unbeantwortet, die Firma verweist ebenfalls auf besagte Leistungsbeschreibungen. Ein ehemaliger Mitarbeiter eines Callcenters, das für die Telekom tätig war, berichtet von einer Dienstanweisung, wonach er Kunden stets an die Drittanbieter zu verweisen hatte.

Juristen werfen Mobilfunk-Mitarbeitern Betrug vor

Dem auf Verbraucherrecht spezialisierten Berliner Anwalt Thomas Hollweck zufolge verdienen die Mobilfunkanbieter an den Abzock-Abos ordentlich mit, teilweise behalten sie bis zu 50 Prozent des Betrags. Zumeist haben sie sogenannte Factoring-Verträge mit Dienstleistern wie Netmobile abgeschlossen, die Forderungen einzelner Drittanbieter an den Netzbetreiber weiterleiten (siehe Grafik). Dieser wird so zum Zahlungseintreiber und zieht sich bei kritischen Nachfragen in diese Rolle zurück. "Dabei ist das eigentlich nicht erlaubt", sagt Hollweck. "Sie haben lediglich einen Vertrag mit ihrem Mobilfunkanbieter. Und der darf in der Regel keine Leistungen Dritter auf die Rechnung setzen."

Andere Juristen gehen noch weiter: Da die Netzbetreiber wegen etlicher Kundenbeschwerden von dem Betrug dubioser Anbieter wüssten, könnten sich die zuständigen Mitarbeiter im Einzelfall selbst des Betrugs strafbar machen, beschreibt der Strafrechtler Kilian Wegner die Situation in einem Beitrag für eine Fachzeitschrift für Strafrecht. "Wer das Auftreten von Missbräuchen zu Lasten seiner Kunden faktisch dem Zufall überlässt, nimmt solche Vorfälle auch billigend in Kauf", sagt Wegner. "Damit könnten die Voraussetzungen für einen Betrug seitens der Mobilfunkunternehmen erfüllt sein."

Mahnschreiben, Inkasso-Briefe, Vertragskündigung

Entscheidend sei, welche Schutzmaßnahmen die Mobilfunkanbieter getroffen hätten und wie streng sie ihre Vertragspartner kontrollierten. Ein Netmobile-Sprecher sagt, das Unternehmen lege den Netzbetreibern jeden Drittanbieterdienst vorab zur Prüfung vor. Danach gefragt, verweisen die Konzerne auf ihre offiziellen Selbstverpflichtungen. Dazu gehören etwa Vorschriften, wie groß die Hinweise auf AGB und Abo-Bedingungen bei einer Werbeanzeige sein müssen. Anscheinend ist das Verfahren aber weiterhin lückenhaft. Oft können Drittanbieter auch nicht eindeutig nachweisen, wie ein Vertrag zustande kam.

Nadine Köster kündigte umgehend das Abo, was - auch das ist typisch - der Drittanbieter anstandslos akzeptierte. Anstatt weitere Briefe an Congstar zu verschicken, zog sie ihr Geld wieder ein und überwies den Rechnungsbetrag ohne die strittigen Gebühren. Darauf folgten Mahnschreiben, Inkasso-Briefe. Nadine Köster machte einen Besuch bei der Verbraucherzentrale, die ihr aber nicht helfen konnte. Von Congstar erhielt sie immer wieder vorformulierte Standard-Antworten, schließlich die Kündigung. Am Telefon habe ihr nie jemand helfen können, sagt sie. Und ihr Geld hat sie nie wiederbekommen.

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