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Cyberattacken auf Autos Der Feind fährt mit

Die Vernetzung von Autos ist Fluch und Segen. Neue Technologien verringern zwar Unfallrisiken, erhöhen aber die Gefahr eines Hackerangriffs. Immerhin: Die Branche hat das Problem jetzt erkannt. Das war bis vor Kurzem noch anders.
Online-App für ein Auto

Online-App für ein Auto

Foto: © Mike Blake / Reuters/ REUTERS

Wenn sich Autos untereinander absprechen, passieren weniger Unfälle: Davon träumt die Fahrzeugindustrie und setzt große Hoffnungen auf die totale Vernetzung ihrer Produkte. Wird gar die Vision vom selbstfahrenden Auto zur Realität, sollen Dellen und Crashs ganz der Vergangenheit angehören.

Doch es gibt eine Kehrseite dieser Entwicklung. Software hilft zwar bei der Lösung von Sicherheitsproblemen, sie schafft gleichzeitig aber ganz neue Gefahren. Denn je besser Fahrzeuge vernetzt sind, desto anfälliger werden sie für Angriffe von außen: "Jede Datenverbindung ins Auto ist ein Einfalltor für Kriminelle", sagt Paul Arndt von der Wiesbadener Technologieberatung Invensity.

Zwei von einigen Beispielen, die diese Einschätzung belegen:

Mehr als ein Dutzend ähnlicher Fälle sind öffentlich bekannt, sie gingen wie in den genannten Beispielen meist auf das Konto von Wissenschaftlern oder Verbraucherschützern, die auf die Sicherheitslücken aufmerksam machen wollten. Doch für die Zukunft rechnen Fachleute mit deutlich mehr Angriffen. Dabei reicht das Szenario von Fahrzeugdiebstählen über die illegale Beschaffung von Daten bis hin zu absichtlich verursachten Unfällen. Solche Angriffe könnten sich auch an ganze Fahrzeugflotten richten.

Paul Arndt sieht die Autoindustrie derzeit schlecht vorbereitet auf diese sogenannten Cyberattacken: "Verglichen mit anderen Branchen wie etwa der Handy-Industrie gibt es da einen gewaltigen Nachholbedarf."

Abwehrsystem von ehemaligen Elitesoldaten

Durch Software-Updates versuchen die Hersteller zwar den Gefahren vorzubeugen, doch dabei sind sie oft auf Hilfe von außen angewiesen. Daraus ergeben sich Chancen für Start-up-Unternehmen wie Argus.

Dessen Gründer sind ehemalige Elitesoldaten der israelischen Armee. Europachef der Firma ist Michael Müller, er war zuvor einige Jahre im Technologiemanagement bei Daimler tätig. Noch vor ein, zwei Jahren habe man über das Ansinnen der ehemaligen Soldaten gelächelt, räumt er ein. Doch spätestens seit der Berichte über den gehackten Jeep Cherokee und den damit verbundenen Milliardenkosten für Fiat Chrysler sei die Stimmung bei den Autoherstellern umgeschlagen: "Seitdem bekommen wir überall sofort Termine und finden bis in die Vorstandsetagen Gehör".

Kooperation mit der Allianz und Magna

Entsprechend leicht haben die Israelis bei der zweiten Finanzierungsrunde nach den ersten vier Millionen aus dem Jahr 2014 zuletzt noch einmal 26 Millionen Dollar eingesammelt und dabei Partner wie die Allianz-Versicherung oder den Automobilzulieferer Magna ins Boot geholt.

Laut Müller gibt es mittlerweile ein fertiges Produkt, das Autos wirkungsvoll vor Cyberangriffen schützen soll: Intrusion Detection and Prevention System (IDPS) nennt Argus die Software, die den Datenverkehr im Wagen kontrolliert.

IDPS prüfe, ob jede der bis zu 3000 Botschaften pro Sekunde auf den Datenleitern legal und korrekt sei. "Falsche Botschaften werden automatisch blockiert, verdächtige in unsere Zentrale gemeldet und dort in Echtzeit analysiert", erläutert Müller das Verfahren. Das Prinzip ähnele einem Virenscanner: "Wie daheim am Computer wird unsere Software regelmäßig aktualisiert - nur ein bisschen schneller."

Droht die Gefahr einer Cyberattacke, schlägt das System Alarm. Zwar könne auch IDPS die schädliche Software nicht löschen und die befallene Elektronik nicht kurieren, sagt Müller. Doch innerhalb des Datenverkehrs würden dann Blockaden hochgezogen und Schutzzonen eingerichtet, damit andere Fahrzeuge, die mit dem betroffenen Auto vernetzt sind, gewarnt würden.

Die Star-Hacker arbeiten jetzt für Uber

Was dem ehemaligen Daimler-Mann und seinen israelischen Chefs jetzt noch fehlt, ist ein Kunde. Zwar sei die Firma mit Herstellern auf allen Kontinenten im Gespräch. Doch bis die digitale Knautschzone für das vernetzte Auto in Serie gehe, werde es wohl noch bis zum Ende des Jahrzehnts dauern, räumt Müller ein. Es sei denn, es passiere noch einmal so ein Desaster wie beim Jeep Cherokee. "Wenn es irgendwo brennt", glaubt Müller, "fallen die Entscheidungen schneller."

Das können die beiden IT-Experten, die damals den Jeep digital knackten, wohl bestätigen: Nach ihrer Aktion ließ sich Fiat Chrysler von Chris Valasek und Charlie Miller beraten, mittlerweile arbeiten sie für den Fahrdienstvermittler Uber.

Ob die Industrie genug unternimmt, um ihre Produkte und deren Käufer zu schützen, lasse sich nur schwer sagen, erklärte Valasek der "Süddeutschen Zeitung"  - die Autoindustrie verhalte sich in dieser Hinsicht "nicht sehr transparent".