Würzburg/Potsdam. Neue Leitlinie vor allem für Kinder: Kühlen nur in Maßen, kein Wasser auf die Wunde

Kühlen, kühlen, kühlen! So lautete bisher die wichtigste Faustregel für die Behandlung von Verbrennungen und Verbrühungen. Die verbrannte Stelle unter fließendes kaltes Wasser halten, mindestens zehn Minuten lang, um ein „Nachbrennen“ und die Ausdehnung der Hitze in die Tiefe zu verhindern. Ab jetzt heißt es aber: Bloß nicht zu viel kühlen! Es besteht sonst die Gefahr einer Unterkühlung, die für das Brandopfer lebensgefährlich werden kann, warnen Experten jetzt.

„Im Feuerwehrfachverband haben wir schon vor Jahren erkannt, dass die Kühlung mehr Schaden verursacht als sie nützt“, sagt der Würzburger Unfallmediziner Professor Peter Sefrin vom Deutschen Roten Kreuz. Es dauere leider oft lange, bis sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse durchsetzen. Das Kühlen lindert zwar den Schmerz, das hält jedoch nur kurze Zeit an. Sind von der Verbrennung jedoch größere Hautflächen betroffen, vergrößert die Kaltwassertherapie die Gefahr einer Unterkühlung. Durch die Verbrennung verliert die Haut ihre Schutzfunktion, was wiederum die Wärmeregulation stört, so Sefrin. Das sei unterschätzt worden, Intensivmediziner berichteten immer wieder, dass Verbrennungspatienten unterkühlt eingeliefert werden.

Die Behandlung mit Wasser sei nur bei kleinflächigen Verbrennungen und nur kurze Zeit sinnvoll, um akute Schmerzen zu lindern, schreiben die an der neuen Leitlinie beteiligten Experten. Kleinflächig heißt: so groß wie die Handfläche des Betroffenen. Das Wasser sollte nur handwarm und nicht kalt sein. Und: Bei Kleinkindern und Babys ist Kühlung generell tabu! Je jünger das Kind, umso eher gehört es bei einem Brandunfall ins Krankenhaus.

Feuchte Kompressen reichen

Sind die Verbrennungen schwer, sollte es in einer auf Verbrennungen spezialisierten Kinderklinik oder in einem Verbrennungszentrum behandelt werden. Bis zum Eintreffen des Kindes in der Klinik muss das Kind vor Auskühlung geschützt werden – mit einer wärmenden Decke oder durch Anheben der Raumtemperatur. Regel: Eine für das Rettungsteam angenehme Temperatur ist für den Verbrennungspatienten zu kalt. Selbst kühlende Gels und Packungen aus Verbandkästen, Verbrennungsgelkompressen und Kühlpacks sollte man weglassen – feuchte Kompressen mit physiologischer Kochsalzlösung reichen aus. Trockene Verbände sind ganz schlecht: Sie kleben und lassen sich nur unter Schmerzen entfernen.

Die Folgen einer Verbrühung erweisen sich für Kinder als besonders schwerwiegend: Sie haben eine größere Körperoberfläche im Verhältnis zum Gewicht, ihre Haut ist dünner, die Verletzung geht mehr in die Tiefe, die Heilung verläuft langsamer und der Unfall hinterlässt oft bleibende Narben. Die Leiterin des Landesgesundheitsamts Brandenburg berichtet: „Schon über 52 Grad Celsius heißes Wasser schädigt die Haut so sehr, dass Brandblasen entstehen können. Der Inhalt einer Tasse heißen Tees oder Kaffees genügt, um bis zu 30 Prozent der Körperoberfläche eines Säuglings oder Kleinkindes zu verbrühen!

Verbrühungen treten gehäuft auf, wenn Kinder unbeaufsichtigt in der Badewanne sitzen und ein anderes Kind heißes Wasser einlaufen lässt oder wenn Kinder in die mit heißem Wasser gefüllte Badewanne fallen. Verbrühte Kinder müssen weit länger im Krankenhaus bleiben als etwa Kinder mit einer Gehirnerschütterung. Unter vier Jahren sind es durchschnittlich 5,5 Tage. Brandunfälle im Kindesalter sind extrem stressbehaftete, schmerzhafte und auch seelisch traumatisierende Ereignisse. Solche Kinder benötigen intensive schmerzstillende Maßnahmen, um psychische Spätfolgen möglichst zu verhindern. Das wird jedoch oft vernachlässigt, weil die Kinder, anders als erwartet, bei Verbrennung häufig still und verschüchtert sind und wenig Schmerzen äußern.

Die Leitlinie macht auch auf einen bedrückenden Aspekt aufmerksam: Bis zu zehn Prozent an Verbrennungen und Verbrühungen sind auf Kindesmisshandlungen zurückzuführen. Auf eine Misshandlung deuten gleichmäßige, scharf begrenzte, handschuh- oder strumpfartige Muster an Händen oder Füßen, die durch Eintauchen in heiße Flüssigkeiten entstehen. Hochverdächtig sind auch geformte, geometrische Muster durch Haartrockner, Heizungsroste, Herdplatten oder Bügeleisen.