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Isolationshaft in Schweden Kinder reden mit ihrem Spiegelbild

Für junge Straftäter ist Schweden kein guter Ort: Viele Heranwachsende landen in Isolationshaft - für Stunden, Tage, manchmal sogar für ein Jahr. Selbst die Uno hat das Land mehrfach gerügt.
Schwedisches Gefängnis (Symbolbild): Verbot der Isolierung von Kindern gefordert

Schwedisches Gefängnis (Symbolbild): Verbot der Isolierung von Kindern gefordert

Foto: JONATHAN NACKSTRAND/ AFP

Es sind schockierende Geschichten, die Fredrik Malmberg aus den Gefängnissen Schwedens zusammenträgt. Da werden Kinder und Jugendliche abgeschieden von anderen in Zellen gesperrt, dürfen ihre Eltern nicht sehen, auch zum Wachpersonal haben sie kaum Kontakt. Stunden geht das so, manchmal fast den ganzen Tag. Manchmal sogar noch länger.

Die Isolation zermürbt. Ein Junge, berichtet Malmberg, habe angefangen, vor dem Spiegel mit sich selbst zu reden. Ein anderer Jugendlicher sei ein ganzes Jahr isoliert gewesen, bis sein Fall vor Gericht landete. "Ich habe Kinder getroffen, die den Sinn für die Realität verloren haben."

Malmberg ist offizieller Kinder-Ombudsmann in Schweden. 13 Polizeiwachen und Untersuchungshaftanstalten hat er besucht und mit mindestens 30 jungen Inhaftierten gesprochen. Wie das skandinavische Land mit Heranwachsenden hinter Gittern umgeht, passt nicht zu seinem sonst so liberalen Image: 2011 wurden 3052 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Schweden in Isolationshaft genommen.

Viele betroffene Jugendliche trügen große psychische Schäden davon, sagt Malmberg; sie hätten Angstzustände, Depressionen, Schlafprobleme und Selbstmordgedanken. Einige Jugendliche seien hinterher so zermürbt, dass sie bei der Verhandlung alles sagen würden, um aus der Zelle herauszukommen. "Wir machen vieles richtig, wenn es um unserem Umgang mit Kinderrechten geht, aber hier haben wir versagt. Es ist wirklich beschämend."

Uno rügt Schweden, ohne Ergebnis

Mit seiner Kritik steht der Kinder-Ombudsmann nicht allein. Seit Jahren rügt der Uno-Ausschuss gegen Folter Schweden, weil es mit seiner Praxis der Isolierung jugendlicher Strafverdächtiger gegen die Menschenrechte verstoße. Zuletzt im Dezember 2014.

In der Rüge heißt es: "Das Komitee fordert die Regierung auf, die Isolationshaft bei Jugendlichen abzuschaffen und ein Jugendstrafsystem nach internationalem Standard zu etablieren." Doch geschehen ist kaum etwas.

Ein Grund ist, dass in Schweden Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren in der Untersuchungshaft wie Erwachsene behandelt werden. Es gibt nämlich kein gesondertes Gesetz für sie. Fredrik Malmberg hält das für einen großen Fehler. "Ich verstehe, dass es mitunter notwendig ist, ein Kind seiner Freiheit zu berauben", sagt er. "Aber es ist etwas anders, es zu isolieren. Wenn man ein Kind einsperrt, darf man nicht vergessen, dass es ein Kind ist und kein Erwachsener. Man braucht ein anderes System für Kinder."

Im nordischen Rechtssystem zähle die Aussage vor Gericht mehr als die bei der Polizei nach der Festnahme. "Deshalb möchte man verhindern, dass ein Angeklagter vor seiner Verhandlung in Kontakt mit anderen gerät und seine Aussage vielleicht ändert", erklärt Malmberg.

"Eine Schande für Schweden"

In Norwegen und Dänemark habe man das Gesetz geändert und das Recht des Kindes vorangestellt. Schweden sei das letzte westeuropäische Land, das Kinder über längere Zeit isoliere.

Die Regierung weiß seit Jahren von den Problemen im Vollzug. Seit Malmberg seinen Bericht zur Lage 2011 vorgelegt hat, ändert sich langsam etwas: Polizisten werden für den Umgang mit Jugendlichen geschult. Die Anklage versucht, die Einschränkungen zu lockern.

Doch das alles sei lange nicht genug, meint Malmberg. Die Isolierung von Minderjährigen müsse generell verboten werden. Das Parlament sei hier gefordert. Es reiche nicht, die Sache den Behörden zu überlassen.

Malmberg hofft auf den neuen Justizminister Morgan Johansson, der im vergangenen September von der Oppositions- auf die Regierungsbank wechselte. Der sozialdemokratische Politiker bezeichnete die Isolation als "eine Schande für Schweden". "Nun hat er die Chance, die Sache in Hand zu nehmen", sagt Malmberg.

Von Sigrid Harms/dpa/bkr