Soforthilfe nach Vergewaltigungen: Erste Station ist das Krankenhaus

Eine Kampagne in Frankfurt soll Vergewaltigungsopfer dazu bewegen, sich im Krankenhaus untersuchen zu lassen. Viele trauen sich nicht.

Eine Ärztin ist auf dem Plakat abgebildet, Text: „Überlassen Sie das Schweigen uns“

Motiv der Kampagne in Frankfurt und Offenbach. Bild: Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung

FRANKFURT/MAIN taz | Die Plakate sind immer mal wieder in ganz Frankfurt zu sehen: „Gehen Sie zum Arzt – und nicht zum Alltag über“ steht darauf. Oder: „Kein Grund, sich zu schämen, sondern sich helfen zu lassen.“

Die Plakate sind Teil eines Projekts, das Frauen dafür sensibilisieren soll, sich nach einer Vergewaltigung von einem Arzt oder einer Ärztin behandeln zu lassen. Denn noch immer trauen sich das viele Opfer nicht – aus Angst oder Scham.

„Das Bedürfnis, sich behandeln zu lassen, ist ganz klar da. Egal, ob um abzuklären, ob man schwanger ist, ob man sich mit etwas infiziert hat oder um einfach nach den Verletzungen sehen zu lassen“, sagt Angela Wagner vom Frauennotruf Frankfurt. Sie berät immer wieder Frauen, die vergewaltigt wurden. Viele berichten ihr jedoch auch, dass sie sich nicht trauten, zur Untersuchung zu gehen. „Aus Angst, dass Ärzte über ihren Kopf hinweg die Polizei alarmierten. Oder schlichtweg aus Scham.“

Daher initiierten der Frauennotruf, das Sozial- und das Frauendezernat der Stadt Frankfurt 2013 ein Modellprojekt zur medizinischen Soforthilfe von vergewaltigten Frauen. Das Konzept setzt zum einen auf eine gezielte Ansprache der Frauen und ihres Umkreises, beispielsweise über die Plakate.

Zum anderen richtet sich das deutschlandweit einmalige Konzept aber auch direkt an Ärzte und Krankenhäuser. „Ärzte sind medizinisch zwar sehr gut ausgebildet, aber eine Vergewaltigung ist eben auch eine psychosoziale Sondersituation“, sagt die Ärztin und Rechtsmedizinerin Hildegard Lilly Graß, die sich auf die Versorgung von Gewaltopfern spezialisiert hat. Als Expertin ist sie bei der Konzeption des Projekts Soforthilfe mit ins Boot geholt worden. In der ärztlichen Schulung besteht ihrer Meinung nach noch Nachholbedarf.

Angst, Anzeige zu erstatten

„Formalisierte Abläufe bei Vergewaltigungen gab es in Krankenhäusern bislang nur, wenn die Frau Anzeige erstattet“, sagt Angela Wagner vom Frauennotruf. In so einem Fall würde die Polizei alle weiteren Schritte in die Wege leiten. Doch viele Frauen wollen keine Anzeige erstatten, zum Beispiel weil die Täter aus dem eigenen Umfeld stammen. Werden die Spuren jedoch nicht gleich gesichert, sind nachher alle möglichen Beweise verloren – selbst wenn es sich die Frau später anders überlegt.

In Frankfurt und Umgebung wurden im Zuge des Projekts alle Kliniken mit Gynäkologie, die rund um die Uhr geöffnet haben, ins Projekt miteinbezogen. „In den kostenlosen Fortbildungen wurden die Ärzte genau für so einen Fall geschult“, sagt Rechtsmedizinerin Graß. Insgesamt 250 Mediziner hat das Frankfurter Modell so seit 2013 qualifizieren können.

Das Konzept richtet sich auch an Ärzte und Krankenhäuser

„Ganz wichtig ist, dass die Frau in der Situation merkt, dass wieder sie den Ton angibt und nichts über ihren Kopf hinweg gemacht wird“, sagt Wagner. Die Befundsicherung würde daher zwar angeboten, aber nicht automatisch gemacht. „Wichtig ist, dass Frauen überhaupt zum Arzt gehen und ihr Wohlergehen zumindest aus medizinischer Sicht gewährleistet ist.“

Der Erfolg scheint dem Projekt recht zu geben. Seit der Einführung im Jahr 2013 haben sich 55 Frauen wegen einer Vergewaltigung im Krankenhaus behandeln lassen. Ein Drittel von ihnen habe auch die Möglichkeit der Spurensicherung wahrgenommen.

Nun haben auch andere Kommunen begonnen, das Projekt anzufragen. Insgesamt acht Landkreise stehen im Gespräch mit den Verantwortlichen des Frauennotrufs, im April fand aufgrund der starken Nachfrage zudem eine bundesweite Fortbildung statt.

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