Architekt über überflüssige Neubauten: „Anti-Werbung für München schalten“

Der Bund will Bauen fördern. Das findet nicht jeder gut: Daniel Fuhrhop will Neubauten am liebsten verbieten und Umzüge bezuschussen.

Ein weißer modernistischer Neubau mit roten Fensterrahmen vor blauem Himmel

Neubau? Überflüssig, meint der Architekt Daniel Fuhrhop Foto: Archiv

taz: Herr Fuhrhop, Ihr Buchtitel provoziert. Haben sich die Lobbyisten schon bei Ihnen gemeldet, von denen es beim Thema Bau viele gibt?

Daniel Fuhrhop: Der Titel ist natürlich etwas überzogen und daher mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Im Kern geht es mir darum, zu vermitteln, dass es viele Möglichkeiten gibt, den bestehenden Wohnraum besser zu nutzen.

Welche denn?

Im Buch nenne ich 50 Werkzeuge, die Neubauten überflüssig machen. Ich will zeigen, dass wir neu denken und handeln müssen, dann kommen wir mit den bestehenden Bauten gut zurecht, zum Beispiel wenn wir sie bedarfsgerecht umbauen. Und was die Baulobby betrifft: Die Verbände sind an neuen Ideen durchaus sehr interessiert. Aber klar, die Forderung, auf Neubauten ganz zu verzichten, verschreckt sie natürlich.

Belegt der aktuelle Bauboom nicht den Bedarf?

Der derzeitige Neubau ist nicht durch den Bedarf getrieben, sondern wird zu großen Teilen durch die Kapitalströme verursacht. Immobilien in Deutschland gelten bei Investoren derzeit als attraktiv.

Das klingt nach Blase.

Es gibt stets ein Auf und Ab an den Immobilienmärkten, deswegen wird sich die Entwicklung auch wieder umkehren. Aber es ist nicht mein Ziel, Blasen vorherzusagen, sondern deutlich zu machen, dass die aktuelle Bauwut ökonomisch, ökologisch und gesellschaftlich nicht gut ist. Es gibt Alternativen.

hat im Oekom-Verlag das Buch „Verbietet das Bauen!“ veröffentlicht. Der Autor studierte Architektur, wechselte zur Betriebswirtschaft und wurde dann Architekturverleger. Fünfzehn Jahre lang publizierte er vor allem über Neubauten. Die hält er heute für überflüssig: besser die bestehenden Bauten besser nutzen.

Was schlagen Sie vor?

Zum einen könnten wir viel Wohnfläche einsparen, wenn wir Menschen, denen ihre Wohnung zu groß geworden ist, den Umzug erleichtern. Ich propagiere daher eine Förderung von Umzügen, die vielleicht so aussehen könnte, dass es für jeden Quadratmeter, um den die neue Wohnung kleiner ist, einen bestimmten Zuschuss gibt. Dazu braucht es außerdem Beratung und Unterstützung. Sehen wir es doch mal ganz ökonomisch: Wenn jemand 100 Quadratmeter bewohnt, aber nur 70 braucht, kommen durch einen Umzug 30 Quadratmeter zusätzlicher Wohnraum auf den Markt. Wollte man den neu bauen, würde er im Mittel 60.000 Euro kosten. Umziehen ist also deutlich billiger als Bauen.

Sie schreiben in Ihrem Buch von den riesigen Leerständen und wollen ungenutzte Büros zu Wohnungen umbauen. Was machen Sie, wenn in einer Stadt Leerstand herrscht und in einer anderen Mangel?

Als Betriebswirt habe ich früher gedacht, dass es für die Attraktivität einer Wohnlage rationale Gründe gibt, aber so ist es nicht immer. In Duisburg stehen 14.000 Wohnungen leer, in Düsseldorf besteht zugleich Mangel. Wenn wir Duisburg umbenennen zu Düsseldorf-Nord, dann wird die Lage plötzlich attraktiver.

Das klingt jetzt nach Satire ...

Da ist wieder ein Augenzwinkern dabei, natürlich. Aber der Ansatz ist ernst gemeint: Wir müssen darauf hinarbeiten, dass die Orte, an denen Wohnraum im Überfluss besteht, und die gibt es, attraktiver werden. Zugleich sollten wir aufhören, die ohnehin überfüllten Städte auch noch zu bewerben. In Berlin und München bezahlt man Leute dafür, dass sie Unternehmen und Menschen anlocken; das muss man stoppen.

Kommen die nicht trotzdem?

In meinem Buch schlage ich ironisch vor, den Boom in Prenzlauer Berg durch uncoole Musikfestivals etwas zu dämpfen, und für München Antiwerbung zu schalten, die auf die Nachteile hinweist, wie etwa die hohen Mieten. Das ist provokant, aber vielleicht ein Denkanstoß: Wollen wir weiter Geld für Wirtschaftsförderung in München ausgeben und damit eine volle Stadt noch voller machen?

Keine Stadt zieht freiwillig die Bremse, Gewerbe und Einwohner bringen Steuern.

Die Steuerstruktur kann und muss man ändern. Die heutige stammt noch aus der Nachkriegszeit und hat sich längst überlebt. Sie führt dazu, dass arme Städte immer noch ärmer und reiche Städte noch reicher werden. Man muss die Verteilung der Steuereinnahmen so regeln, dass man den Boomstädten den Anreiz nimmt, immer weiter zu wachsen.

Ihr Buch berücksichtigt die Flüchtlinge noch nicht. Müssen Sie Ihre Aussagen heute relativieren?

Ganz und gar nicht, gerade in der jetzigen Situation sind Ideen gefragt, den Bestand besser auszunutzen.

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