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Mogelpackungen
"Wir empfehlen den Verbrauchern, sich zu beschweren"

Die Politik müsse etwas gegen die zunehmenden Mogelpackungen in Supermarktregalen tun, forderte Verbraucherschützer Armin Valet im DLF. Ähnlich wie beim Benzinpreis sollte es eine Meldestelle für solche Produkte geben. Bis dahin könnten Kunden nur Druck auf die Unternehmen machen, indem sie sich bei ihnen beschwerten.

Armin Valet im Gespräch mit Stefan Römermann | 27.08.2015
    Stefan Römermann: Kleine Schilder am Zahnpasta-Regal, die erklären bei der Drogeriemarkt-Kette DM seit Kurzem, warum es hier keine Dentagard-Zahncreme mehr gibt. „Gleicher Preis, weniger Inhalt - da streiken wir", heißt es. Offenbar hat der Hersteller Colgate-Palmolive die Tubengröße um ein Viertel reduziert, wollte aber weiterhin den gleichen Preis.
    Über den Fall und ähnliche Fälle von Mogelpackungen spreche ich jetzt mit Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Herr Valet, erst mal guten Morgen. Können Sie sich denn eigentlich jetzt einen neuen Job suchen? Die Drogeriemarkt-Kette DM, die gibt sich ja offenbar jetzt selbst als Verbraucherschützer.
    Armin Valet: Ja genau. Sie generiert sich als Verbraucheranwalt. Prinzipiell finden wir das gut, dass hier mal ein bisschen Licht ins Dunkel kommt. Das läuft ja sonst immer sehr im Verborgenen ab, versteckte Preiserhöhungen. Die Verbraucher bekommen das ja gar nicht mit, weil, Sie müssen sich vorstellen: Das Produkt sieht genau identisch aus, ist ein bisschen kleiner, aber man hat ja dieses Vergleichsprodukt nicht da.
    Römermann: Nehmen Sie denen das denn ab, dass die das wirklich ehrlich meinen?
    Valet: Genau, das wollte ich gerade noch sagen. Wir wissen ja, dass die natürlich da ein Eigeninteresse haben. Es steht zum Beispiel drauf, dass man stattdessen die Eigenmarke von DM kaufen soll. Das ist uns schon klar und wir wissen auch, wir haben ja eine lange Liste in den letzten zehn Jahren von Mogelpackungen, und da steht auch oft DM drauf, wo sie solche versteckten Preiserhöhungen durch die Industrie dann einfach durchgewunken haben. Aber wichtig ist für uns, dass dieses Thema noch mal aktuell ist, dass noch mal klar gezeigt wird, wie hinter den Kulissen da gearbeitet wird, und dass dieses Thema viele Verbraucher aufregt und dass hier viele über den Tisch gezogen werden, das ist klar. Deshalb finden wir das positiv, wenn das hier noch mal publik wird.
    Römermann: Wieso funktioniert denn diese Masche überhaupt mit dem, wir machen die Packung kleiner und lassen den Preis gleich? Es steht ja eigentlich jetzt an jedem Regal dran, wie groß der Preis pro Milliliter oder sonst was ist.
    Valet: Ja. Aber es steht ja nicht die alte Packung da und kein Verbraucher kann sich doch merken, wie viel die Zahnpasta-Tube im Grundpreis vorher gekostet hat. Das ist die Krux an sich, das wurde uns damals so verkauft. Vor fünf Jahren sind ja die Füllmengen freigegeben worden und die EU hat genau das gesagt und auch hier die deutschen Politiker, Mensch, ihr habt doch den Grundpreis. Aber der hilft nicht. Ich kann mit dem Grundpreis Produkt A und B vergleichen, das beides im Regal ist, aber nicht Produkte, die überhaupt nicht mehr im Regal sind und wo keine Grundpreise zum Vergleich vorhanden sind.
    "Wir versuchen, den Druck hoch zu halten"
    Römermann: Wie kann ich denn als Verbraucher dem dann auf die Schliche kommen? Kann ich da einfach nur zugreifen und Glück haben und mich dann vielleicht nachher ärgern, wenn ich die Tuben nebeneinander halte, wenn ich im Badezimmer stehe, oder was soll ich dann tun?
    Valet: Genau, das ist ein Dilemma. Wir empfehlen den Verbrauchern wirklich, sich zu beschweren, sowohl beim Hersteller wie auch beim Händler. Natürlich wir als Verbraucherzentrale sind auch erste Ansprechpartner. Wir führen ja eine Liste, eine lange Liste im Internet. Unter vzhh.de kann man sie sich angucken. Und wir versuchen, da den Druck hochzuhalten. Wir wollen da Verbesserungen erreichen. Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, dass es ähnlich wie bei den Benzinpreisen eine Stelle geben sollte im Internet, oder ein Portal, wo wirklich solche Füllmengenreduzierungen vorher verpflichtend angekündigt werden müssen von Herstellern, dass die Verbraucher weniger in die Irre geführt werden.
    Römermann: Ist das die typischste Art von Mogelpackungen, oder haben Sie da noch andere, die ähnlich häufig sind?
    Valet: Ja, das ist natürlich die klassische. Dann haben wir die Variante mehr drin und übermäßig teuer. Das hat zum Beispiel jetzt Ferrero bei der Kinderschokolade und bei Nutella gemacht. Das hat mehrere Vorteile, vor allem, wenn man ...
    Römermann: Mehr drin, was heißt das?
    Valet: Ich sage es jetzt ganz konkret von der Kinderschokolade. Die hat bisher immer 100 Gramm Inhalt gehabt, hat 99 Cent gekostet. Jetzt sind 125 Gramm drin für 1,29 meistens. Die Preiserhöhung ist zuerst mal nicht so hoch, vielleicht liegt sie bei zwei, drei, fünf Prozent. Aber zwei Vorteile für den Hersteller und die Händler. Erstens: Man hat den Schwellenpreis überwunden. 99 Cent ist so eine imaginäre Grenze, über die man nicht rübergehen will. Und man schafft es aber da, das zusammen noch mit einer positiven Botschaft zu verbinden, nämlich dann steht auf den Tafeln drauf, dauerhaft mehr Inhalt. Das suggeriert dem Verbraucher zuerst mal: Mensch, Du bekommst ja mehr für Dein Geld, und er denkt nicht an eine Preiserhöhung.
    Was natürlich auch immer wieder gern gemacht wird und beliebt ist, sind natürlich Luftpackungen, wodurch man mehr Inhalt vortäuscht, als letztendlich drin ist. Auch da haben wir vor Kurzem eine große Untersuchung gemacht mit Röntgen-Bildern, was man sich bei uns auf unserer Internet-Seite und auch bei uns bei Facebook angucken kann, was da immer wieder getrieben wird.
    Römermann: Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg - ich sage ganz vielen Dank für das Gespräch. Also Augen auf beim Zahnpasta-Kauf und vermutlich auch bei allen anderen Produkten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.