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foodwatch-Studie zu Hühner-Eiern
"Der Verbraucher kann kein garantiert tiergerecht erzeugtes Ei erwerben"

Die Hühner in deutschen Ställen leiden unter starkem Leistungsdruck, erklärte Luise Molling von Foodwatch im DLF. Weil sie jeden Tag ein Ei legen sollen, würden ihre Knochen brüchig. Für den Verbraucher gebe es – auch bei Bio – keine Garantie mehr für artgerechte Tierhaltung.

Luise Molling im Gespräch mit Georg Ehring | 22.05.2015
    Hühnereier werden von Mitarbeiterin Manuela Wohlrab vom Bio-Geflügelhof Deersheim GmbH in der Packabteilung in Osterwieck (Landkreis Harz) verpackt.
    Mitarbeiterin mit Eiern auf einem Bio-Geflügelhof (dpa / picture alliance / Matthias Bein)
    Georg Ehring: Mehr als 200 Eier verbraucht der Deutsche im Schnitt pro Jahr, ein großer Teil davon auf dem Umweg über Kuchen, Nudeln oder Fertiggerichte. Doch nicht immer ist das gesund. Über rohe Eier vor allem können Salmonellen übertragen werden. Ein Geflügelbetrieb aus Bayern wurde als Quelle für eine große Welle von Salmonellenerkrankungen ausgemacht. Die Verbraucherschutzorganisation foodwatch kritisiert die Geflügelhaltung insgesamt als nicht tiergerecht – und zwar sowohl die konventionelle als auch die ökologische. Luise Molling von foodwatch ist jetzt am Telefon. Guten Tag, Frau Molling!
    Luise Molling: Schönen guten Tag!
    Ehring: Frau Molling, zunächst zum Thema Salmonellen. Wie kommen die ins Ei, obwohl in der Produktionskette doch dafür gesorgt werden soll, dass so etwas nicht passieren kann?
    Molling: Ja, das Beispiel des Salmonellenfalls in Niederbayern zeigt ganz gut, wie wichtig eine gute Betriebshygiene, ein gutes Betriebsmanagement in der Tierhaltung ist, wenn man die Tiere gesund halten möchte. Wir haben natürlich auch nur die Informationen, die es in den Medien gibt. Danach lagen wohl Kadaver von toten Tieren dort über Tage in den Käfigen drin, die Tiere sind darüber hinweggestiegen. Das ist etwas, was natürlich auf keinen Fall vorkommen darf und was natürlich dann begünstigt, dass die Tiere sich infizieren und so eine Infektion sich dann ausbreitet. Das ist eben das Problem, das sie letztlich in allen Haltungsformen haben können, wenn der Halter sich nicht gut um die Tiere kümmert, wenn die Hygiene vernachlässigt wird beispielsweise, dann kommt es eben zu solchen Krankheitsausbreitungen und solchen Infektionen.
    Ehring: Ich war ein bisschen überrascht, es geht um Kleingruppenhaltung. Im Supermarkt findet man ja nur noch Boden-, Freiland- oder Öko-Eier. Wie leben denn Hühner in der Kleingruppenhaltung?
    Molling: Kleingruppenhaltung, das ist ein schön euphemistischer Begriff. Kleingruppenhaltung bedeutet, dass die Hühner in Käfigen leben, nach wie vor. Das sind nicht mehr die Legebatterien, wie sie inzwischen eigentlich europaweit verboten sind, sondern etwas größere Käfige mit etwas größeren Gruppen. 60 Tiere leben in diesen Käfigen, etwa zwölfeinhalb pro Quadratmeter umgerechnet. Sie können sich vorstellen, dass das sehr weit entfernt von wirklich artgerechter Haltung ist, die Tiere in ihren natürlichen Verhaltensweisen sehr, sehr stark eingeschränkt werden.
    Molling: Hühner aus ökologische Haltung nicht gesünder als in konventioneller Haltung
    Ehring: Sie haben ja die Hühnerhaltung insgesamt unter die Lupe genommen und auch in Ökobetrieben Missstände gefunden. Wie kann das sein? Öko gilt doch als die tierfreundliche Alternative auch.
    Molling: Ja, unsere zentrale Erkenntnis, was ... Ich glaube, ich muss erstmal klarstellen, tiergerechte Haltung hat immer zwei Aspekte: Einerseits die Frage, wie viel Platz hat das Tier, kann es seine natürlichen Verhaltensweisen ausüben, hat es Auslauf? All diese äußeren Rahmenbedingungen quasi. Und hier sehen wir schon, dass bio deutlich besser ist, wenn auch mit zum Beispiel Gruppengrößen von 3000 Tieren immer noch sicherlich weit entfernt davon, was vielen unter vielleicht einer biologischen oder kleinbäuerlichen Landwirtschaft vorschwebt. Und die andere Seite von tiergerechter Haltung ist eben die Tiergesundheit, also die Frage, geht es dem Tier auch wirklich gut, ist das Tier frei von Krankheiten, frei von Schmerzen, und so weiter und so fort. Und für diese Frage der Tiergesundheit, die ist hauptsächlich davon abhängig, wie gut der Halter seinen Betrieb managt, eben ob er den Stall sauber hält. Und für diese Frage des Managements für die Tiergesundheit gibt es keinerlei gesetzliche Vorgaben, also, es wird überhaupt nicht sichergestellt, dass die Tiere auch gesund sind. Und leider zeigen unsere Erkenntnisse, dass die Tiere in ökologischer Haltung nicht gesünder sind als in der konventionellen Haltung und dass vielfältige Krankheiten, wie zum Beispiel Brustbeinschäden und Gefiederschäden, sehr stark verbreitet sind in allen Haltungsformen.
    Ehring: Das heißt, auf Öko kann man sich also aus Tiergesundheitsgründen eigentlich gar nicht verlassen – was kann denn der Verbraucher dann tun?
    Molling: Das ist die sehr frustrierende zentrale Erkenntnis aus unserem Report, dass der Verbraucher durch seine Kaufentscheidung eigentlich kein wirklich garantiert tiergerecht erzeugtes Ei erwerben kann. Also wenn Sie nicht gerade neben einem Bauernhof wohnen und selber sehen können, ob die Tiere dort auch wirklich gesund sind und auch der Halter sich gut um die Tiere kümmert, können Sie nie sicher wissen, ob es dem Tier auch gut ging. Und das ist leider die zentrale Erkenntnis, die wir haben, und daher fordern wir eben, dass nicht nur einerseits alle Tiere Haltungsbedingungen haben, in denen sie ihre arteigenen Verhaltensweisen ausüben können – und das könnte sogar über bio noch hinausgehen, aber da geht bio schon in die richtige Richtung –, dass es aber eben auch eine ganz klare Zielvorgabe gibt für den Gesundheitsstatus der Tiere, also ganz klar gesetzlich vorgeschrieben wird, zum Beispiel in einer Herde dürfen nur noch drei Prozent der Tiere Brustbeinschäden haben oder eben Fußballenentzündungen. Und wenn der Halter es nicht schafft, diesen Gesundheitsstatus dauerhaft auch zu erreichen und die Tiere gesund zu halten, dann soll er seine Produkte auch nicht mehr vermarkten dürfen.
    Molling: Hühner bekommen brüchige Knochen weil alle Mineralien In der Eierschale landen
    Ehring: Lässt sich denn sowas kontrollieren? Das stelle ich mir ziemlich schwierig vor.
    Molling: Das lässt sich kontrollieren. Also die meisten Gesundheitsdaten können Sie zum Beispiel auch an Schlachthofbefunden sehr viel sehen – viele Krankheiten lassen sich an Schlachthofbefunden nachvollziehen –, oder Sie können direkt im Stall natürlich auch schauen, Stichproben nehmen, wie viele Tiere ... schauen Sie sich einfach einen Teil der Tiere an und sehen Sie dort Gefiederschäden, sehen Sie dort Fußballenentzündungen und so weiter uns so fort. Das ließe sich alles systematisch erheben, und dann könnte man eben diese Zielvorgabe machen und prüfen, ob der jeweilige Halter diese Zielvorgabe auch einhält.
    Ehring: Hängt es vielleicht auch an den Hochleistungshühnern heute? Die legen mehr als 300 Eier pro Jahr, da könnten Krankheiten ja vorprogrammiert sein.
    Molling: Das hängt auf jeden Fall damit zusammen. Wir haben in allen Tierhaltungsformen eigentlich immer das Problem, dass die Zucht sehr, sehr einseitig stark auf eine hohe Leistung ausgerichtet ist, also dass die Tiere sehr, sehr viel leisten müssen. Sie kennen das ja auch bei Menschen, die Hochleistungssportler, die haben ja auch oft das Problem, dass sie dann anfällig werden. Dass sie zum Beispiel, wenn sie einen Sprinter haben, dass er dann Knieprobleme bekommt. So müssen Sie sich das vorstellen. Also wenn das Tier so viel leistet, fast jeden Tag ein Ei legt, dann führt es dazu, dass die Knochen sehr entmineralisiert sind und dadurch schneller brechen, da die ganzen Mineralien in die Eischale gelenkt werden. Das sind alles Probleme, die mit dieser einseitigen Zucht zusammenhängen. Und auch da wäre es sehr wünschenswert, wenn man die Zuchtziele dahingehend verändern würde, dass die Tiere gesünder sind und dann eben auch länger leben können und eher über einen längeren Zeitraum eine niedrigere Leistung bringen, aber dadurch eben auch nicht zu einseitig belastet und so stark belastet werden.
    Ehring: Luise Molling von foodwatch, herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Mollings und Diskussionen nicht zu eigen.