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Studie zur Zukunft der künstlichen Intelligenz Der Roboter putzt, der Mensch lebt vom Grundeinkommen

Wie sieht unser Alltag 2030 aus? Eine US-Studie widmet sich den Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz. Einen Aufstand der Maschinen muss die Menschheit nicht fürchten - vorerst.
Denkender Roboter (Computeranimation)

Denkender Roboter (Computeranimation)

Foto: Corbis

Navigationsgeräte, treffsichere Suchmaschinen und Smartphones mit Spracherkennung gehören heute zum Alltag. Und doch sind das alles Technologien, die es vor 15 Jahren noch nicht, beziehungsweise bei Weitem nicht auf dem Niveau von heute gab. Dabei, unser Leben zu erleichtern, helfen immer schnellere Computerchips und aufwendige Satellitensysteme, aber auch und vor allem Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI).

Die KI verändert unser Leben auch dort, wo wir es nicht sofort erkennen. Sie analysiert zum Beispiel Patientendaten und hilft damit der Medizin oder sie berechnet, wo Verbrechen besonders wahrscheinlich sind. Wenn die letzten 15 Jahre solche Fortschritte gebracht haben, was können wir dann in den nächsten 15 Jahren erwarten? Dieser Frage ist ein Gremium aus über 20 Experten für eine Studie der Stanford University nachgegangen. Die Ergebnisse sind nun in einem Bericht vorgestellt worden .

Dieser Bericht beginnt mit beruhigenden Worten. Die sind nötig, denn die Debatte um KI ist oft geprägt von apokalyptischen Schreckensvisionen, wie man sie aus Filmreihen wie "Terminator" und "Matrix" kennt. "Im Gegensatz zu den aus Massenmedien bekannten, fantasievollen Prognosen, sieht unser Gremium keinen Grund zur Sorge, dass die KI eine unmittelbare Bedrohung für die Menschheit darstellt", heißt es in der Studie. Es seien bisher keine Maschinen mit selbstständigen Langzeitzielen oder Absichten entwickelt worden und das werde in der nahen Zukunft auch so bleiben.

Die tatsächlichen Herausforderungen seien andere. Es gehe etwa um die Fragen, wie die KI den Arbeitsmarkt umwälzen wird und wie man die wirtschaftlichen Vorteile der neuen Technologien einem großen Teil der Gesellschaft zugänglich macht. Weil es in naher Zukunft wohl keine Allzweck-KI geben wird, die verschiedenste Aufgaben lösen kann, gliedern die Forscher ihre Ergebnisse in acht "Domänen". Für jede betrachten sie die Chancen und Risiken. Die interessantesten Erkenntnisse haben wir zusammengefasst.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie

  • Das Verkehrswesen wird laut den Forschern die erste Domäne sein, in der die Menschen der Sicherheit und Zuverlässigkeit eines KI-Systems vertrauen werden müssen. Schon jetzt hätten Systeme wie selbstfahrende Autos riesige Fortschritte gemacht. Vor zwölf Jahren gab es den ersten Wettbewerb der Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums (DARPA) für selbstfahrende Autos in der Wüste - kein Wagen schaffte die Aufgabe.
  • Heute können etwa Googles Autos durch bestimmte Städte manövrieren. In naher Zukunft werden Algorithmen die Umgebung besser erfassen können als Menschen, sagen die Forscher. In einer typischen amerikanischen Stadt werden im Jahre 2030 autonome Autos, Lastwagen und Flugzeuge unterwegs sein, schreiben sie: Die Städter werden ihre Wagen untereinander teilen und daher weniger Autos besitzen, was wiederum die Städteplanung beeinflussen wird.
  • Auch den Haushalt und die Dienstleistung wird die KI wohl verändern. Heute steuere sie hauptsächlich staubsaugende Roboter, heißt es. In Zukunft dürften bessere Computerchips, günstige Sensoren, neue Methoden beim maschinellen Lernen und Fortschritte in der Spracherkennung dafür sorgen, dass Roboter Pakete ausliefern, Büros putzen oder für Sicherheit sorgen.
  • Im Gesundheitswesen halten die Forscher große Umwälzungen für möglich. Heute hören sich die Ärzte Beschreibungen der Symptome ihrer Patienten an und vergleichen sie mit bekannten Krankheiten. Das könnten Algorithmen übernehmen. Die Ärzte würden dann nicht selbst diagnostizieren, sondern vielmehr ihre automatisierten Helfer bei der Diagnose überwachen und ihre eigene Erfahrung und Intuition einbringen. Die Handarbeit der Ärzte bleibe aber wichtig.
  • Die Herausforderung besteht laut den Forschern darin, die Maschinen richtig in den Klinikalltag zu integrieren. Die Möglichkeiten von KI im Gesundheitswesen zeichnen sich bereits heute ab, durch Ansätze wie eine Gesundheitsüberwachung mittels mobiler Apps oder die Nutzung von Operationsrobotern.
  • Auch bei der öffentlichen Sicherheit werden sich die Menschen im Jahr 2030 stark auf Maschinen verlassen, schätzen die Wissenschaftler: "Das beinhaltet verbesserte Kameras und Drohnen zur Überwachung, Algorithmen, die Finanzbetrug aufdecken, und 'Predictive Policing'." Predictive-Policing-Tools sind Programme, die anhand verschiedener Daten die Wahrscheinlichkeit für Straftaten in bestimmten Gegenden voraussagen.
  • Gerade diese Anwendung von KI im Polizeibereich wecke Sorgen, dass manche Menschen zu Unrecht ins Fadenkreuz der Behörden gerieten, warnen die Forscher. Auch müsse man dafür sorgen, dass Vorurteile durch die Algorithmen nicht systematisiert werden. Was heute schon alles schiefgehen kann, zeigte im Mai die Kritik an Algorithmen der US-Justiz. Sie sollen schwarze Straftäter öfter als Risikofälle eingestuft haben als weiße.
  • Die Arbeitswelt wird sich verändern
  • Alle diese Veränderungen werden einen Einfluss auf die Arbeitswelt haben. Die Autoren der Studie schreiben allerdings, dass dieser Einfluss - sei er nun positiv oder negativ - schwer einzuschätzen ist. In naher Zukunft werde die KI wohl eher bestimmte Aufgaben übernehmen und nicht sofort ganze Berufe ersetzen. Dabei seien die unterschiedlichsten Berufszweige betroffen, von LKW-Fahrern über Radiologen bis hin zu Rechtsanwälten.
  • Durch die Veränderungen werden viele Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr allein mit ihrer Arbeit bestreiten können, heißt es. Die Antwort auf die Frage, wie man die Menschen davor schützt, werde eine politische und keine rein wirtschaftliche sein, notieren die Forscher und bringen kurzfristige Lösungen wie Umschulungen ins Spiel, aber auch langfristige wie ein Grundeinkommen. Sie sehen aber auch positive Entwicklungen: Wird die Arbeitskraft durch KI günstiger, könnten viele Produkte auch erschwinglicher werden.
  • Neuer Bericht in fünf Jahren

Ob die Prognosen der Forscher eintreten werden, ist natürlich unklar. So wie kaum jemand das Internet vor dessen Entstehung vorhergesagt hat, so kann es auch im Bereich KI passieren, dass sich die Technik und die Gesellschaft anders entwickeln wird, als derzeit gedacht. Das wissen die Forscher natürlich selbst, in fünf Jahren wollen sie deshalb einen neuen Bericht mit dem aktuellen Stand der KI veröffentlichen. Man darf gespannt sein, ob "Terminator" und Co. für das Gremium auch dann noch nur gute Unterhaltung ist, ohne allzu viel Realitätsbezug.

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